一休宗純
Ikkyū Sōjun

* 1. Februar 1394
630 Jahre

Ikkyū Sōjun

Der Geburtstag dieses berühmten Zen-Mönches jährt sich heuer am 1. Februar zum sechshundertdreissigsten Mal. Yoshigasaki Sensei erläuterte auf seinen Seminaren, dass Ikkyū seine eigenen Gedanken und seinen Körper sehen konnte. (Vgl. auch "Aikido im wirklichen Leben", Seiten 179 und 199). Das Jubiläum soll Anlass sein, auf eine deutschsprachige Biographie Ikkyūs hinzuweisen. Es ist eine Übersetzung aus dem Russischen.
Der Verlag schreibt (auszugsweise): "In der zeitgenössischen Japanologie, die aus strategischen Gründen meist der anglophonen identitätspolitischen Werkexegese anhängt, ist der biographistische Ansatz mit seinem positivistischen Paradigma kaum mehr die bevorzugte Methode. Vor aktuellen Tendenzen, Wissenschaft in "leichte" Formate zu pressen und sie in Gestalt unterhaltsamer Häppchen anzutragen, muss die mit persönlichen Daten, Details und Dramen angereicherte Biographie geradezu das Mittel der Wahl sein."

Text des Backcover

Ikkyū Sōjun (1394–1481), der sich selbst den Namen "Verrückte Wolke (狂雲)" gab, gilt als eine der populärsten und exzentrischsten Zen-Persönlichkeiten Japans. Bis heute werden ihm TV-Serien und Manga gewidmet. Viele der im Westen bewunderten Kulturschöpfungen wie Renga-Dichtkunst, Tuschmalerei, Kalligraphie, Teezeremonie, Nō-Theater, Gartenkunst u. a. sind von Ikkyū inspiriert worden. Der Zen, der im japanischen Hochmittelalter eine Schlüsselrolle im Geistesleben spielte, wäre ohne Ikkyū ein anderer. Zen ist viel mehr als Meditation und schliesslich Erleuchtung. Ikkyū hat in einer der schlimmsten kriegerischen Perioden Japans vorgelebt, was Zen sein kann. Ein Kenner sagt über Ikkyū: "Ikkyū ist eine der faszinierendsten und rätselhaftesten Figuren in der japanischen Literatur. Er war gleichzeitig ein abtrünniger Mönch und ein hochverehrter geistlicher Würdenträger, ein erleuchteter Weiser und ein selbsternannter lasterhafter Mensch. Und vielleicht sind es gerade diese Widersprüche, die ihn zu einem der humansten und zugänglichsten Zen-Grossmeister Japans machen."

Versionen

Der Übersetzer Peter Raff hat eine Ikkyū-Monografie aus der sowjetischen Japanologie ausgewählt, um uns Ikkyū und seine Zeit nahezubringen. Wie er in seinem Vorwort schreibt, basiert seine Übersetzung auf der ersten Ausgabe von 1987. Der Autor, Evgeny S. Steiner, hat ihm aber seine überarbeiteten Versionen von 2006 (russisch) und von 2014 (englisch) in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. In diesen Ausgaben sind die chinesischen und japanischen Texte, die vorher nur in kyrillischer Umschrift vorlagen, in Kanji, Hiragana und Katakana gedruckt. Die Rückübersetzung chinesischer oder japanischer Texte aus der kyrillischen Umschrift ist schwierig und ohne Kanji bleibt vieles unklar. In den späteren russischen und englischen Ausgaben wurden auch Illustrationen hinzugefügt. Da die Buchreihe des OAG (Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Tokyo) keine solch umfangreichen Werke vorsieht, bildet die Textausgabe von 1987 die Grundlage für das vorliegende Werk mit der Verbesserung, dass die chinesischen und japanischen Texte im Original zitiert werden.

Inhalt

Das Buch ist eine wissenschaftliche Biographie. Die Kapitelüberschriften lauten:
1. Die Geburt Ikkyūs. Das politische Leben in Japan zu dieser Zeit
2. Kindheit, Knabenjahre und eine Jugend in Klöstern. Der Zen und das Gozan
3. Wanderjahre
4. Die Jahre der Reife
5. Ikkyū und die Kunst
6. Der Zen Ikkyūs oder der Versuch der Konstruktion eines Modells des mittelalterlichen japanischen Bewusstseins
7. Alter, Liebe, Ruhm

Russisch: Евгений Штейнер, Дзен-жизнь: Иккю и окрестности, 1987, 2006
Englisch: Evgeny Steiner, Zen-Life: Ikkyū and Beyond, 2014
Deutsch: Evgeny Steiner, Ikkyū Sōjun - Der Zen-Mönch "Verrückte Wolke" und seine Zeit, 2018
Deutsch: Ikkyū in der Kamigraphie der Universität Wien (Bernhard Scheid).

Beispiel

Am Ende von Kapitel 2 werden die Ereignisse von Ikkyūs grossem Satori im Alter von 26 Jahren beschrieben. Als Bestätigung verlangt sein Meister ein Gedicht von ihm. Ikkyū schrieb die meisten seiner Gedichte auf Chinesisch, wie in diesem Beispiel. Zum Verständnis dieser Gedichte benötigt man ein umfangreiches Wissen über die historische chinesische Dichtkunst.
In Japan hatte sich allerdings bereits Jahrhunderte vor Ikkyū eine unabhängige japanische Poesie entwickelt. Als Beispiel sei die Biographie von Ki no Tsurayuki (872-945) angeführt, die vom selben Übersetzer aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt wurde und auch in der OAG-Reihe erschienen ist.

Der Autor

Prof. Evgeny Semyonovich Steiner (*1955) promovierte am Institut für Orientalistik der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Seit Anfang der 1990er Jahre lehrt und forscht er im Bereich der japanischen und russischen Kulturwissenschaften an Universitäten in Jerusalem, Tokio, New York und Manchester. Seit 2008 ist er Professorial Research Associate am Japan Research Centre, SOAS (Univ. of London) und seit 2012 Professor an der Wirtschaftshochschule "Национальный исследовательский университет «Высшая школа экономики» (НИУ ВШЭ)" in Moskau.

Der Übersetzer

Dr. Peter Raff (1951-2021) studierte in Tübingen Medizin und nebenbei Russisch, Japanisch und Gälisch und promovierte in Medizin. Er war mehrere Jahre als DAAD-Stipendiat in Kyoto und später im Pharmabereich auch beruflich in Japan tätig. Anfang der 1990er Jahre ging er für 15 Jahre als Landarzt auf eine abgelegene schottische Insel. Beim 3. Shizuoka Literaturfestival erhielt er den 2. Übersetzerpreis. Seit 2008 war er in Ostdeutschland als Landarzt niedergelassen.
Peter Raff war 10 Semester lang ein Studienkollege in Tübingen und animierte mich, nebenbei Japanisch zu studieren, was dann mein Interesse für Budokünste weckte und über Karate und Ki-Jutsu zum Aikido führte.


Titelsong der Anime Serie von 1975

Ikkyū-san ist eine Fernsehserie für Kinder aus den Jahren 1975 bis 1982. Sie erzählt vom Leben des Mönches Ikkyū Sōjun wie er sich intelligent gegen die Oberen durchsetzt und anderen hilft. Ausserdem erschienen vier Filme zur Serie.
Die insgesamt 296 Folgen mit je 25 Minuten Laufzeit wurden vom 15. Oktober 1975 bis zum 28. Juni 1982 von TV Asahi in Japan gezeigt. Es folgten mehrere Ausstrahlungen in Italien sowie eine im arabischen Raum. Als "Ikkyu the Little Monk" wurde der Anime mit englischen Untertiteln in den USA gezeigt, jedoch nur auf einigen lokalen Sendern für die japanische Gemeinschaft. Die Serie ist auch in China populär, wahrscheinlich weil Ikkyū als zugehörig zur chinesischen Kultur gesehen wird, denn er schrieb die meisten seiner Werke in klassischem Chinesisch.

Ikkyū für Kinder

Ikkyū war ein Sohn des Kaisers Go-Komatsu-Tennō mit einer Konkubine. Die Mutter stammte aus einer konkurrienden Linie des Kaiserhauses und wurde vom Hof vertrieben. Sie brachte später ihren 6-jährigen Sohn in ein Kloster, um ihn davor zu schützen, bei Nachfolgestreitigkeiten umgebracht zu werden.
Im Kloster passierte die berühmte Geschichte mit dem Honig.
Beim Shogun in Tokyo ereignete sich die Geschichte mit dem Tiger.
Ikkyū baute sich einen kleinen Tempel in Kyoto.

Text zum Video

一休禅師 物語
Ikkyū Zenji Monogatari

Erzählungen über den Zenmeister Ikkyu

Das ist eine Geschichte aus Japan von vor 600 Jahren. Dort gab es einen weisen Kindermönch namens „Ikkyu“.
IKKYU-SAN
Ikkyu nutzte seine Weisheit, um die Autoritäten um ihn herum zu plagen. Heute will ich euch die Geschichte von Ikkyu erzählen.

Es war 1394, Muromachi-Zeit. Ein Junge kam auf die Welt. Weil er ein Kind der Liebe des Kaisers war, würde er sein Leben lang unter Beobachtung stehen. Seine Mutter aber rasierte dem Kleinen die Haare, damit er Mönch werden sollte, und sie half ihm, in einen Tempel zu fliehen.
Im Tempel wurde er „Ikkyu“ genannt ("kleine Pause, kurze Erholung")*.
Ikkyu war damals erst sechs Jahre alt. Er durfte seine Mutter nicht sehen und musste jeden Tag die harten Mönchspflichten erfüllen.

Eines Tages brachte jemand ein Geschenk mit, einen Topf mit kostbarem Honig. Die kleinen Kindermönche sehnten sich so sehr danach, den Honig zu schlecken. Dann sagte ihnen Osho-san (der Obermönch): "In Wirklichkeit ist das Gift. Wenn ihr es esst, werdet ihr sterben!“
Die kleinen Kindermönche fragten sich, ob das wohl wahr sei, und wollten unbedingt den Honig im Topf probieren. Also wandten sie sich an Ikkyu. Der hatte eine Idee ...
Während Osho-san ausser Haus war, liess Ikkyu die teuerste Vase im Tempel fallen. Es war Osho-sans Lieblingsstück. Die kleinen Kindermönche waren so erschrocken, als sie sahen, was Ikkyu getan hatte, und versuchten wegzulaufen. Aber Ikkyu sagte zu ihnen:
"Hört zu: Wir haben die teuerste Vase zerbrochen. Um für unsere Sünden zu bezahlen, lasst uns gemeinsam das Leben beenden!" Und er fing an, den Honig zu essen! Auch die anderen Kindermönche schlossen sich ihm an. Und so assen sie den GANZEN Honig auf.
Als Osho-san in den Tempel zurückkam, fand er seine Lieblingsvase kaputt, und die kleinen Kindermönche weinten alle heftig und sangen buddhistische Sutras.
"Was ist hier los?!" "Es tut uns sehr leid! Wir haben Ihre kostbare Vase zerbrochen!" Und um unsere Sünden wiedergutzumachen, haben wir das GIFT aus dem Topf gegessen! ALLES! Aber aus irgendeinem Grund können wir nicht sterben ..."
Osho-san wurde schnell klar, dass es ein schlauer Trick von Ikkyu war, um den Honig essen zu können. Erinnert ihr euch? Osho-san hatte gelogen, als er sagte: "Das ist Gift!" - „"Aaaah!! Ist in Ordnung! Alles in Ordnung! Hört auf damit!" sagte Osho-san.

Der Shogun (General) auf seiner Burg hatte die Geschichte über Ikkyu gehört. „Was für ein kluger Kindermönch! Ich würde ihn gerne in mein Schloss einladen“, sagte er. Ikkyu war sehr aufgeregt, als er die Einladung erhielt, und dachte, dass der Shogun eine grandiose Mahlzeit mit ihm essen würde.
Als Ikkyu jedoch im Schloss ankam, sagte der Shogun zu ihm: "Ich habe gehört, dass du ein sehr kluger Mönch bist. Daher bitte ich dich um einen Gefallen! Schauen dir den Tiger auf diesem Paravent an! Dieser Tiger springt aus dem Paravent und tut schreckliche Dinge! Wir sind in Schwierigkeiten. Könntest du bitte den Tiger für uns einfangen?“
Natürlich war es eine Lüge. Ein gemalter Tiger kann unmöglich aus dem Bild springen. Aber der Shogun wollte sehen, wie Ikkyu darauf reagieren würde. Es war eine Herausforderung des Shogun, dem niemand eine Bitte abschlagen durfte.
In Gedanken lachte der Shogun über Ikkyu. "Auch wenn du sehr schlau bist, das kannst du unmöglich schaffen, oder?" Aber Ikkyu sagte: "Na klar! Ich werde ihn einfangen." Könnten Sie mir bitte einen Strick geben?
"Das kannst du machen?!" sagte der Shogun. "Ja natürlich!" sagte Ikkyu. Er bekam einen Strick vom Diener und sagte zum Shogun:
"So, jetzt vertreiben Sie bitte den Tiger aus dem Bild! Ich bin bereit, ihn einzufangen! Also ... JETZT!“
Der Shogun sagte: "Wovon redest du?! Es ist unmöglich, den Tiger da heraus zu treiben – es ist nur ein BILD. Ikkyu lächelte und sagte: "Das ist gut zu wissen!" Es ist also für den Tiger nicht möglich, aus dem Paravent zu springen! Ich bin so erleichtert! Wir brauchen uns daher keine Sorgen zu machen und ich muss ihn auch nicht einfangen!"
Der Shogun sagte: "Aaaaah!! Ausgezeichnet! Du bist wirklich ein kluger Mönch!" Er war sehr beeindruckt von Ikkyu.

Als Ikkyu heranwuchs, verliess er den Tempel und begab sich auf eine lange Reise. Er mochte Autoritätspersonen nicht.
Normalerweise trugen berühmte Mönche prächtige lila Kimonos und hatten Diener im Gefolge. Wenn Ikkyu sich auf eine Reise begab, trug er einen abgenutzten Kimono und spielte die Rolle eines armen Mönchs. Er wusste, dass das Wichtigste der Mensch selbst ist und nicht die Kleidung, die den Rang einer Person zeigt.
Einige dachten, Ikkyu sei ein Spinner, aber viele andere mochten ihn. In seinem späteren Leben verliebte er sich in eine blinde Frau namens Shinnyo und baute einen Tempel – "Shuon-an" in Kyoto.
Der kaiserliche Hof baute einen grossen, teuren Tempel für Ikkyu. Er war jedoch nie dort und blieb in seinem bescheidenen kleinen "Shuon-an", mit Shinnyo, bis zu seinem letzten Tag.
Kurz vor seinem Tod, sagte er "Ikkyu wird nie sterben. Ich werde ewig leben."
Er hatte recht. Die Japaner lieben ihn und reden immer noch über Ikkyus legendäre Taten, sechshundert Jahre nach seinem Tod. (Hier übertreibt das Video, da Ikkyu erst 1481 gestorben ist).

Ikkyu, der die Macht der Autorität hasste, liebte das zivile Leben und die Freiheit.
Er ruht in Frieden in seinem Tempel, bis auf den heutigen Tag ...


*Tatsächlich erhielt Ikkyū erst mit 16 Jahren den Namen Sōjun (宗純, "Reine Lehre") beim Eintritt in die Klause von Meister Ken'ō. Und erst nach seinem ersten Satori im Alter von 24 Jahren erhielt er den Namen Ikkyū (一休, "Kleine Pause") vom Meister Kasō am Biwa See.