Lehrer und Lehren

Yoshigasaki Sensei

Frohe Ostern

Interview

mit Alain de Halleux
Original auf youtube https://www.youtube.com/watch?v=Ypuu6tW9HkM und auch veröffentlicht in den Ki-News #7.

Zusammenfassung:
Meiner Meinung nach wird eine Sekte durch zwei Dinge definiert.
Erstens: Eine Sekte denkt, dass es nur eine einzige richtige Lehre gibt - natürlich die eigene. Und dass es nur eine richtige Lehrmethode gibt - natürlich die eigene.
Zweitens: Eine Sekte denkt, dass eine einzige Lehre ausreicht.
Also, was heisst das? Ich sage immer, dass jeder Lehrer das lehren muss, was er für richtig und gut für die Welt hält. Somit ist jede Person völlig frei. Und ausserdem bin ich mir sicher, dass es nicht bloss eine einzige Lehrmethode gibt, die die beste ist. Jeder Lehrer muss für sich den besten Weg finden.
Und zur zweiten Aussage, dass eine einzige Lehre alle Bedürfnisse eines Menschen befriedigen kann: Das ist einfach überhaupt nicht wahr. Das heisst, ein Mensch braucht verschiedene Lehren/Philosophien/Vorstellungswelten. Es ist eine Illusion, wenn ein Lehrer denkt, er könne alles geben was man im Leben braucht.
Frage: Sie sind also nicht der ultimative Lehrer.
Antwort: Der ultimative Lehrer existiert nicht.


Seminar 2020

Auf seinem letzten Seminar im Oktober 2020 in Novara
erläuterte Yoshigasaki Sensei, was er in den letzten 20 Jahren unterrichtet hat.

Zusammenfassung:
Ueshiba zeigte seine Techniken, aber kaum jemand verstand ihn. Meister Tohei verstand ein wenig davon. Aber er benötigte eine Theorie von Shin Shin Toitsu Do - Yoga - oder Zen ... So verstand er ein wenig und entwickelte seine eigenen Techniken. Um sie dann den Leuten verständlich zu machen, hat er Ki unterrichtet. Also Ki = Vereinigung von Geist und Körper. Aber ich sah immer noch, dass die Mehrheit seiner Schüler nichts verstanden hatte.
Das Problem ist: Wenn ein Lehrer ein hohes Niveau hat, verstehen ihn die Schüler offensichtlich nicht, das ist unvermeidlich.
Meister Ueshiba hat das erkannt und ist mystisch/religiös geworden und Meister Tohei ist zu theoretisch/philosophisch geworden.
Was folgt daraus? Schon vor 20 Jahren hatte ich sehr viel praktiziert und ein gutes technisches Niveau erreicht. Dann habe ich mich gefragt, wie ich das noch weiter entwickeln könnte.
Wenn ich meine Techniken entwickle und ein Anderer seine Techniken entwickelt, wie lassen sich dann meine Techniken und die anderen Techniken vergleichen und beurteilen? Mit einem Wettstreit, einem Kampf vielleicht. Aber wenn es darauf hinausläuft, dann ist es kein Aikido mehr.
Kann man sagen, welche Techniken die besseren sind? Die von Ueshibas oder die von Tohei? Was war für die Schüler von Ueshiba besser? Ueshibas Techniken oder die von Takeda? Da haben wir schon den Wettstreit.
Wie finde ich nun eine Lösung? Also dachte ich, dass es sinnlos ist, meine Techniken zu entwickeln. Es ist besser, wenn ich die Techniken einer anderen Person mache und ich mache es besser als sie. So gewinne (??) ich immer! Ich lehre also nicht meine Techniken, sondern ich unterrichte eure Techniken. Aber ich mache es besser als ihr. Und wenn ich damit Erfolg habe, gewinne ich immer und man muss keine Wettkämpfe veranstalten, weil ich ja eure Techniken mache. Ich habe dies in den letzten 20 Jahren so gemacht. Wenn ihr dachtet, dass es meine Techniken waren, lagt ihr falsch, es waren die euren. Ich habe immer versucht, eure Techniken weiter zu entwickeln.
Das ist der Unterschied zu Meister Ueshiba oder Meister Tohei. Sie haben die Techniken von Takeda oder ihre eigenen Techniken gemacht. Stattdessen mache ich eure Techniken. Das heisst, ich mache die Techniken der ganzen Menschheit. Ihr seid ja nicht eine Person, sondern viele Menschen. Also repräsentiert ihr die Menschheit. Und daher mache ich die Techniken der ganzen Menschheit.
Jedes Mal, wenn ich unterrichte, ändere ich Einiges. Heute entwickele ich seine Technik (zeigt auf einen Schüler). Ich versuche, seine Technik besser zu machen als er, damit er sich entwickeln kann. Das nächste Mal mache ich die Technik eines Anderen. Es ist klar, dass die Technik des Einen anders ist als die des Anderen. D.h., ich habe mich nicht geändert. Ich habe lediglich immer eure Techniken gemacht. Ich habe das nicht nur für euch getan, sondern auch für mich. Denn wenn ich nur meine eigenen Techniken mache, wird es zu einer Art von Egoismus. Und wenn man älter und reifer wird, wird das nach einer Weile ermüdend. Wenn man jung ist, ist es in Ordnung. Aber warum dann immer dieses "Ich", was soll das? Stattdessen ist es besser, anderen zu helfen, das wird immer gebraucht.